Was wirklich hinter dem Serotonin-Mythos steckt – und wie dein Mikrobiom deine Stimmung beeinflusst.
Wir lesen es ständig:
„90 % des Serotonins entstehen im Darm – also macht ein gesunder Darm glücklich.“
Klingt logisch, oder? Aber: Ganz so einfach ist es leider nicht.
In diesem Artikel erfährst du, wie unser Darm wirklich mit unserer Stimmung zusammenhängt – und was Serotonin nicht kann.
Was ist Serotonin – und wo wird es produziert?
Serotonin ist ein Neurotransmitter, der viele Prozesse im Körper steuert: Appetit, Schlaf, Schmerzempfinden – und auch die Stimmung.
Tatsächlich entstehen rund 90 % des Serotonins im menschlichen Körper im Darm – genauer gesagt in den enterochromaffinen Zellen der Darmschleimhaut.
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Dieses periphere Serotonin erfüllt wichtige Aufgaben in der Verdauung – z. B. die Steuerung der Darmbewegung.
Aber: Es kann die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren.
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Das bedeutet: Serotonin aus dem Darm hat keinen direkten Einfluss auf deine Stimmung.
Wie beeinflusst der Darm dann unsere Stimmung?
Auch wenn das Serotonin im Darm nicht direkt ins Gehirn gelangt, beeinflusst dein Darm dein Wohlbefinden dennoch auf andere Weise – über drei wichtige biologische Mechanismen:
1. Der Vagusnerv: Kommunikation zwischen Bauch und Kopf
Der Vagusnerv ist wie eine Nervenautobahn zwischen Darm und Gehirn.
Er transportiert Signale in beide Richtungen – und bestimmte Darmbakterien können diese Kommunikation beeinflussen.
Studien zeigen: Bestimmte Probiotika wie Lactobacillus rhamnosus können über den Vagusnerv emotionale Reaktionen verändern.
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2. Entzündungen durch ein gestörtes Mikrobiom
Ein Ungleichgewicht im Mikrobiom kann die Darmbarriere schwächen (Stichwort: Leaky Gut).
Das kann zu chronischen, systemischen Entzündungen führen – auch im Gehirn. Diese stehen im Verdacht, Depressionen und Ängste zu fördern.
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3. Der Tryptophan-Stoffwechsel – Serotoninvorstufe beeinflusst durch den Darm
Tryptophan ist eine essentielle Aminosäure und die Vorstufe von Serotonin.
Ob Tryptophan im Gehirn ankommt, hängt auch von der Aktivität der Darmbakterien ab.
Ein ausgeglichenes Mikrobiom kann die Verfügbarkeit von Tryptophan verbessern – und damit indirekt die Serotoninbildung im Gehirn fördern.
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Fazit: Der Darm macht nicht direkt glücklich – aber er hilft mit
Die Aussage „Serotonin im Darm = gute Stimmung“ ist irreführend.
Denn: Das Serotonin bleibt im Bauch.
Aber:
✅ Der Darm beeinflusst Stimmung & Gehirn über das Mikrobiom, den Vagusnerv, Entzündungen und Tryptophan.
✅ Ein gesunder Darm unterstützt also die Voraussetzungen für ein seelisches Gleichgewicht.
Was du jetzt tun kannst
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Unterstütze dein Mikrobiom mit ballaststoffreicher Ernährung
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Meide entzündungsfördernde Lebensmittel (z. B. stark verarbeitete Produkte, Zucker, Alkohol)
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Achte auf deine Verdauung – und nimm Signale deines Bauches ernst
Quellen:
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Gershon MD. (1998). The Second Brain. HarperCollins
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Young SN. (2007). How to increase serotonin in the human brain without drugs. Journal of Psychiatry & Neuroscience, 32(6), 394–399
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Cryan JF et al. (2019). The microbiota-gut-brain axis. Physiological Reviews, 99(4), 1877–2013
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Bravo JA et al. (2011). Ingestion of Lactobacillus strain regulates emotional behavior via vagus nerve. PNAS, 108(38), 16050–16055.
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Maes M. (2011). Depression is an inflammatory disease. BMC Medicine, 9(1), 1–3.
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Agus A et al. (2018). Gut microbiota regulation of tryptophan metabolism in health and disease. Cell Host & Microbe, 23(6), 716–724.